Das Hochleistungsrechnen (High Performance Computing, HPC) ist unverzichtbar für alle Wirtschaftszweige, in denen es auf größte Präzision und schnelle Entscheidungen ankommt, wie z. B. die Automobilindustrie und die Luftfahrt, aber auch das Gesundheitswesen. Eine schnelle Verfügbarkeit von Simulationen, die von immer besseren Hochleistungsrechnern ausgeführt werden, kann den Unterschied zwischen Leben und Tod oder zwischen neuen Arbeitsplätzen und Gewinnen oder aber Bankrott bedeuten. So setzen Kliniken in Deutschland Hochleistungsrechner ein, um bei Geburten Komplikationen in letzter Minute zu vermeiden, während die HPC-Analyse von 3D-Gehirnbildern eine frühzeitige Krankheitsdiagnose erlaubt. Dank HPC können Fahrzeughersteller statt im Fünfjahresrhythmus alle zwei Jahre eine neue Fahrzeugplattform einführen, wodurch die europäische Automobilindustrie bis zu 40 Mrd. EUR einspart. 97 % der Industrieunternehmen, die HPC einsetzen, halten es für unverzichtbar, wenn es um ihre Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit sowie um ihr unternehmerisches Überleben geht.
Aus diesen Gründen stellt die Europäische Kommission einen Plan vor, mit dem die EU ihren relativen Rückstand bei der Nutzung und Bereitstellung von Hochleistungsrechenkapazitäten aufholen kann. Dieser Plan sieht vor, dass die EU ihre HPC-Investitionen verdoppelt (von 630 Mio. EUR auf 1,2 Mrd. EUR) und Supercomputer einsetzt, die noch vor 2020 bis zu 1 000 000 000 000 000 000 (d. h. 1018) Rechenoperationen pro Sekunde („Exa-Maßstab“) ausführen können. Die Hälfte der Investitionen soll dabei in die Entwicklung und die Ausbildung sowie in neue Exzellenzzentren fließen und Tausende neue Arbeitsplätze schaffen.
Neelie Kroes, die für die Digitale Agenda zuständige Vizepräsidentin der Kommission, erklärte hierzu: "High Performance Computing ist eine entscheidende Grundlage für die europäische Industrie und für die Schaffung von Arbeitsplätzen in Europa. Investitionen wie diese in das Hochleistungsrechnen bringen Innovationen, die unseren Lebensalltag verbessern. Wir müssen auf diesem Gebiet intelligent investieren, weil wir es uns nicht leisten können, unseren Konkurrenten das Feld zu überlassen."
Der Plan der Kommission sieht zur Stärkung des Hochleistungsrechnens in Europa insbesondere Folgendes vor:
- Ausbau von PRACE als führende europaweite eInfrastruktur für das Hochleistungsrechnen sowie Bündelung von nationalen und EU-Mitteln im Dienste der akademischen und industriellen Forschung;
- Ausbildung gut geschulter HPC-Fachkräfte;
- Stimulierung des HPC-Marktes in Europa durch vermehrte Beschaffung von HPC-Systemen und Diensten und deren schnellere Übernahme in Industrie und KMU;
- Ermunterung der Mitgliedstaaten zur gemeinsamen Beschaffung von HPC-Systemen der Spitzenklasse, um Kosten zu sparen;
- Einrichtung von Exzellenzzentren für Software auf Wissenschaftsgebieten wie Energie, Lebenswissenschaften und Klima;
- Unterstützung der HPC-Industrie und der HPC-Forschung durch Forschungs- und Innovationsförderung und vorkommerzielle Auftragsvergabe, um eine unabhängige und dem Stand der Technik entsprechende EU-Lieferkette zu erhalten;
- Maßnahmen, die der HPC-Branche in der EU einen fairen Zugang zu den Weltmärkten sichern.
Interessante Fakten
Die Anschaffung eines Supercomputers kann mehr als 100 Mio. EUR und sein Unterhalt noch einmal jährlich 20 Mio. EUR kosten.
Die weltweit größten Supercomputer haben die Rechenleistung von mehr als 130 000 Laptops.
Der größte Supercomputer der Welt kann eine Fläche von bis zu 1 000 m² einnehmen. Darüber hinaus werden zur Unterbringung des weltweit schnellsten HPC-Systems 10 500 m² benötigt, zu denen noch einem 2 100 m² für Kühlaggregate hinzukommen.
Die leistungsstärksten Hochleistungsrechner in Europa sind das französische HPC-System CURIE (Nr. 9 in der Rangliste der 500 besten Supercomputer) und das deutsche HPC-System HERMES (Nr. 13 der „Top 500“).
Hintergrund
Dass Europa ausreichende IKT-Infrastrukturen zur Unterstützung der Innovation unterhält, ist eine der Prioritäten der Digitalen Agenda für Europa. Makroökonomisch betrachtet zeigt sich, dass Investitionen in HPC eine sehr hohe Rendite ermöglichen und dass die Unternehmen und Länder, die am meisten in HPC investieren, auf wissenschaftlichem und wirtschaftlichem Gebiet am erfolgreichsten sind. HPC-Fortschritte, wie neue Rechentechnologien, Software, Energieeffizienz, Speicheranwendungen usw., fließen in die weitere IKT-Industrie und den Massenmarkt ein, wo sie innerhalb von fünf Jahren nach Einführung im HPC-Bereich den privaten Verbrauchern zur Verfügung stehen. Umgekehrt findet auch fortgeschrittene Computertechnik, die für den Verbraucherbereich konzipiert wurde (z. B. energieeffiziente Chips, Grafikkartenprozessoren) verstärkt Eingang in die Hochleistungsrechentechnik.
Zur Sicherung hochwertiger Arbeitsplätze und eines weiteren Wachstums in Europa ist es notwendig, aufbauend auf den mit PRACE erreichten Erfolgen die Koordinierung zwischen den Beteiligten bei den Entscheidungsstrukturen im Bereich der Hochleistungsrechenkapazitäten und beim Erwerb solcher Kapazitäten weiter zu verstärken.